NLA ST Rep. 28

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Schwedisches Tribunal zu Wismar 1653-1715

Laufzeit 

1571-1723

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Prozeßakten nach dem Namensalphabet der Kläger in der Reihenfolge der Bestell-Signaturen
Findmittel: EDV-Findbuch 2009
Umfang: 54 lfdm

Bestandsgeschichte 

Schwedisches Tribunal zu Wismar


Vorbemerkung
Seit dem Jahr 2003 werden, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die im Stadtarchiv Wismar, im Landesarchiv Greifswald und im NLA - Staatsarchiv Stade - liegenden Prozessakten des Wismarer Tribunals, des höchsten Gerichts für die deutschen Provinzen der schwedischen Krone, verzeichnet. Das Projekt schließt an die seit 1978 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Inventarisierung der Prozessakten des Reichskammergerichts an und orientiert sich an den dort entwickelten Verzeichnungsrichtlinien.
Mit der Erschließung der im NLA - Staatsarchiv Stade - liegenden Prozessakten wurde am 01.04.2006 begonnen. Der Bestand erstreckt sich zeitlich von 1653 (Einrichtung des Tribunals) bis 1715 (Ende der Schwedenzeit in der Elbe-Weser-Region) und umfasst Prozesse aus den Herzogtümern Bremen und Verden mit Einschluss des Hamburger Domkapitels und - bis 1679 - der Ämter Thedinghausen und Wildeshausen. Ganz überwiegend handelt es sich um Appellationsverfahren, in der Regel liegen hier die Akten der Vorinstanz(en) anbei.

Einführung in den Bestand
Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden die Reichsfürstentümer Bremen und Verden der schwedischen Monarchie als weltliche Herzogtümer zu ewigem Reichslehen übertragen. Dazu gehörten auch die Rechte, die den Bremer Erzbischöfen am Hamburger Domkapitel zugestanden hatten. Schweden erhielt gleichzeitig für seine deutschen Provinzen - neben Bremen und Verden waren dies Vorpommern mit der Stadt Stettin, das Fürstentum Rügen und die Stadt Wismar mit den Ämtern Poel und Neukloster - das "Privilegium de non appellando illimitatum", das heißt, das unbeschränkte Appellationsprivileg gegenüber den kaiserlichen Gerichten - dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat -, die bis 1648 in höchster Instanz für die geistlichen Reichsterritorien Bremen und Verden zuständiggewesen waren. Im Gegenzug verpflichtete sich die schwedische Krone, für ihre Reichslehen ein eigenes Oberappellationsgericht für letztinstanzliche Streitentscheidungen in den deutschen Provinzen der schwedischen Monarchie einzurichten, und zwar in Struktur und Rechtspraxis nach dem Vorbild des Reichskammergerichts. Das Gericht wurde als "königlich hohes Tribunal in Wismar" am 17. Mai 1653 eröffnet. Die feierliche Publikation der Tribunalsordnung erfolgte im Januar 1657. Alle Berufungen von der Landesregierung, dem Justizkollegium, dem 1669 wieder errichteten Hofgericht, auch vom Konsistorium und der Kammer wurden nunmehr ab einem Streitwert von 200 Reichstalern beim Tribunal verhandelt, das gemischt landesherrlich und ständisch besetzt und finanziert wurde. Gemäß Tribunalsordnung sollte die Justiz "nach des Römischen Reichs Konstitutionen und eines jeden Orts Statuten" administriert werden.
Das Tribunal arbeitete, mit kriegsbedingten Unterbrechungen von 1676 - 1680 und 1716 - 1720, bis zum 6. November 1802 in Wismar. Für die Herzogtümer Bremen und Verden war es allerdings nur bis zum Ende der schwedischen Landesherrschaft im Jahr 1715 zuständig, seitdem fungierte das Oberappellationsgericht in Celle für die nunmehr hannoversche Elbe-Weser-Region als höchste Gerichtsinstanz.

In der ursprünglichen Registratur wurden drei Abteilungen für die Provinzen angelegt. Die Bremen, Verden und das Hamburger Domkapitel betreffenden Prozessakten waren mit dem Buchstaben "B" gekennzeichnet und nach den Anfangsbuchstaben der klagenden Partei und dem Eingangsjahr geordnet. Dieser Bestand des Wismarer Tribunals ging nach dem Übergang der Herzogtümer Bremen und Verden an Hannover im Jahr 1721 in drei Abteilungen, jeweils alphabetisch nach Klägernamen sortiert, zum Oberappellationsgericht nach Celle als Rechtsnachfolger des Wismarer Tribunals. Der erste mit Abstand umfangreichste Teil (Altsignatur B I) umfasste die Akten, die während des Nordischen Krieges im Jahr 1711 zur Sicherheit von Wismar nach Lübeck ausgelagert worden waren. Zur zweiten Abteilung (Altsignatur B II) zählten Prozessakten, die 1711 in Wismar verblieben waren und 1717 von Hannover angefordert wurden, hier handelte es sich in der Regel um noch laufende Verfahren. Der dritte, zahlenmäßig geringste Teil (Altsignatur B III), der erst 1721 gebildet wurde, umfasste neben einigen wenigen Prozessakten auch Generalakten ("Generalia"), die sich nicht nur auf Bremen-Verden, vielmehr darüber hinaus auf Pommern bezogen. Hier wurde das ansonsten klare Provenienzprinzip durchbrochen.
Seit 1721 befand sich somit der Bremen, Verden und das Hamburger Domkapitel umfassende Bestand des Wismarer Tribunals beim Oberappellationsgericht in Celle. In den Jahren 1892/93 wurden die Akten in Celle vom Staatsarchiv Hannover aus bewertet und übernommen. Anschließend führte der Archivar II. Klasse, Hoogeweg, dort Ordnungsarbeiten am neu erworbenen Bestand des schwedischen Tribunals in Wismar durch, der unmittelbar hinter den Reichskammergerichtsakten, die zur selben Zeit von Celle nach Hannover gelangten, als "Hannover Des. 28", heute Rep. 28, eingegliedert wurde. Nach Wiedereinrichtung des Staatsarchivs in Stade im Jahr 1959 gelangte der Bestand mit seinen zahlreichen in Bremen-Verden entstandenen Vorinstanzakten nach Stade. Im Jahr 1970 wurde er durch ein maschinenschriftliches Findbuch notdürftig erfasst, es erfolgte lediglich eine Titelaufnahme, die zudem noch fehlerhaft ist. Dementsprechend wurde der bedeutende, 54 laufende Meter umfassende Bestand in der Vergangenheit kaum genutzt. Durch die nunmehr abgeschlossene, tiefe Erschließung des Tribunalsbestandes wird der Forschung der Zugang zu den Akten wesentlich erleichtert beziehungsweise erst ermöglicht.

Hinweise für die Benutzung
Die Erschließung der Stader Prozessakten erfolgte nach dem Vorbild der Verzeichnung der Reichskammergerichtsbestände, erweitert durch Anregungen aus der Erschließung der Reichshofratsakten, wobei die Eigenarten des Stader Tribunalsbestandes Berücksichtigung fanden. Die Stader Prozessakten sind gekennzeichnet durch vielfach langjährige und langwierige Prozesse, fast ausnahmslos Appellationsverfahren, nicht selten unterbrochen durch die braunschweig-lüneburgische Besatzungszeit (1676 - 1680), mit etlichen Anträgen und Schriftsätzen sowie mit zahlreichen Beweismitteln als Anlagen. Darunter sind etliche hochinteressante Dokumente, die teils bis ins Mittelalter zurückreichen, beispielsweise Abrisse und Karten, Pergamenturkunden mit Siegeln, Testamente und Nachlassinventare, Güterverzeichnisse, Kauf- und Pachtverträge, Eheverträge, Schatzregister, Rechnungsbücher und Obligationen. Zu den für die regionalgeschichtliche Forschung bedeutenden Beweismitteln kommen teils umfangreiche Vorakten, die bis zur erzbischöflich/bischöflichen Zeit zurückreichen, in Einzelfällen auch braunschweig-lüneburgische Instanzen aus der Besatzungszeit umfassen. Die Vorakten sind zwecks Transparenz und besserer Nutzbarkeit von den dazu gehörigen Tribunalsprozessakten getrennt worden, sie haben eine eigene Bestellnummer erhalten, sind durch den Enthält-Vermerk als Vorinstanzen erkennbar und durch Angabe der Prozessparteien dem jeweiligen, in der Regel unmittelbar davor liegenden Tribunalsprozess zuzuordnen.

Die Generalia (Beiakten) wurden unter dem Gliederungspunkt 1 zusammengefasst. Die Prozessakten finden sich unter dem Gliederungspunkt 2. Die drei alten Abteilungen (I - III) wurden aufgelöst und eine einheitliche alphabetische Ordnung nach Klägern hergestellt, von A (02.01) bis Z (02.21).
Insgesamt wurden 2.216 Datensätze erstellt, darunter 21 Generalakten, 1.455 Prozessakten des Tribunals und 740 dazu gehörige Vorakten.
Die Akten sind durchlaufend nummeriert. Die alte Archivsignatur ist ebenso angegeben wie die alte Registratursignatur, soweit überliefert.
Die Schreibung der Personennamen wurde leicht modernisiert, die Orts- und Güternamen sind, soweit ersichtlich, in heutiger Schreibweise wiedergegeben.

Der Verzeichnung der Prozessakten liegt nachfolgendes Schema zugrunde:

(2) Kläger mit Wohnort und, soweit ersichtlich, sozialem Stand
(3) Beklagter mit Wohnort und, soweit ersichtlich, sozialem Stand
(4) Anwalt / Anwälte des Klägers; Prokurator(en) des Klägers (soweit ersichtlich, mit Vornamen) Anwalt / Anwälte des Beklagten; Prokurator(en) des Beklagten (soweit ersichtlich, mit Vornamen)
(5) zeitgenössische Bezeichnung der Prozessform ("Appellationis", Querulationis nullitatis" etc.); Kurzregest aus wenigen Wörtern = Zusammenfassung des Prozessgegenstandes; Beschreibung des Prozessgegenstandes, mit Reaktion des Tribunals; summarische Darstellung des Prozessverlaufes bis zu seiner Erledigung durch Vergleich, Aufkündigung des Prozesses oder Urteil, soweit ersichtlich
(6) Instanzenzug, soweit ersichtlich, jeweils mit Anfangs- und Endjahr. Ortsangaben wurden nur vorgenommen, wenn es sich um Instanzen außerhalb Bremen-Verdens bzw. aus erzbischöflicher oder braunschweig-lüneburgischer Besatzungszeit handelte. Da die Parteien von der Möglichkeit, gegen ein Tribunalsurteil das Rechtsmittel der "restitutio in integrum" einzulegen, rege Gebrauch machten, kommt es in zahlreichen Fällen zu mehreren Instanzen vor dem Tribunal, die einzeln ausgewiesen sind
(7) Enthält-Vermerke: sämtliche Prozessbeilagen - hier wurde im Wesentlichen die Reihenfolge, in der die Beilagen den Akten zugeführt worden sind, beibehalten, lediglich die Prozessvollmachten für die Prozessvertreter wurden gemeinsam erfasst; Angabe von Neben- und Folgeprozessen (Attentatenklagen, "Mandata de solvendo" etc.)
(8) Umfang der Akte und Laufzeit (tagesgenau); längere Unterbrechungen des Verfahrens sind angegeben; Beilagen, die aus der Zeit vor oder nach dem Verfahren datieren, wurden in Klammern vermerkt

Parallel zur Aufnahme der Aktentitel und -inhalte wurde ein umfangreicher Personen-, Orts- und Sachindex erstellt, darüber hinaus ein chronologisches Verzeichnis der Prozesse, ein Verzeichnis der Vorinstanzen und Juristenfakultäten sowie der Prokuratoren, Advokaten und Notare. Die Indizes berücksichtigen in der Regel nur die Prozessakten des Tribunals; Begriffe aus den Vorinstanzakten wurden nur bei gegenüber dem dazu gehörigen Tribunalsprozess veränderten Parteien bzw. Prozessgegenständen aufgenommen.

Bei der Bestellung der Akten ist der Bestandsname Rep. 28 und die laufende Nummer anzugeben.

Die im Stadtarchiv Wismar und im Landesarchiv Greifswald liegenden Teilbestände des Wismarer Tribunals sind unter der Adresse http://ariadne.uni-greifswald.de einzusehen.
Der Gesamtbestand des Tribunals ist künftig unter der Adresse www.wismarer-tribunal.de abrufbar.

Stade, im November 2009
Beate-Christine Fiedler

Nachtrag:
Im September 2011 konnte der Bestand um zwei Akten ergänzt werden, die von dem Antiquariat Winfried Scholl in Wunstorf erworben wurden. Sie stammen aus dem Nachlass des hannoverschen Offiziers Fr. Christoph Kun(t)ze (ca. 1740 - 1820), der in Stade ausgebildet wurde und offensichtlich alte Handschriften sammelte.

Nachtrag 11/2020: Bei Akten der Vorinstanz wurde festfgestellt, dass es in einigen Fällen eine gestempelte Paginierung und zusätzlich eine handschriftliche Nummerierung der Blätter gibt, die zum Teil von einander abweicht bzw. fehlerhaft ist.

Literatur 

Literatur (zum Tribunal):

Beate-Christine Fiedler, Die Prozessakten des Wismarer Tribunals. Eine Quelle zur Gesellschaftsgeschichte des Elbe-Weser-Raums, in: Stader Jahrbuch 2010, S. 47 - 73.

Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653 - 1806), hrsg. von Nils Jörn, Bernhard Diestelkamp und Kjell Ake Modéer. Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich/ 47. Köln Weimar Wien 2003.

Kjell Ake Modéer, Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium. I. Voraussetzungen und Aufbau 1630 - 1657. Stockholm/Lund 1975.

Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, hrsg. von Anette Baumann, Siegrid Westphal, Stephan Wendehorst und Stefan Ehrenpreis. Köln/Weimar/Wien 2001.

Erich Weise, Geschichte des Niedersächsischen Staatsarchivs in Stade nebst seiner Bestände. Veröffentlichungen der niedersächsischen Archivverwaltung Heft 18. Göttingen 1964.

Zur Bestandsgeschichte der Stader Prozessakten siehe auch:
NLA - Hauptstaatsarchiv Hannover -, Hann. 1/3 Nr. 609: "Ordnungsarbeiten", sowie Hann. 1/3 Nr. 788 - 791: Geschäftsjournale des Staatsarchivs Hannover von 1892 - 1896 (mein Dank gilt Dr. Sabine Graf und Dr. Christian Hoffmann, Hannover, für die Hinweise)

Literatur (zur Schwedenzeit in Bremen-Verden):

Michael Ehrhardt, Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im 17. Jahrhundert, in: Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, im Auftrag des Landschaftsverbandes der ehem. Herzogtümer Bremen und Verden hrsg. von Hans-Eckhard Dannenberg und Heinz-Joachim Schulze (gest.) unter Mitarbeit von Michael Ehrhardt und Norbert Fischer, Band III Neuzeit, Stade 2008, S. 255 - 278.

Beate-Christine Fiedler, Bremen und Verden als schwedische Provinz (1633/45 - 1712), in: Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, im Auftrag des Landschaftsverbandes der ehem. Herzogtümer Bremen und Verden hrsg. von Hans-Eckhard Danneneberg und Heinz-Joachim Schulze (gest.) unter Mitarbeit von Michael Ehrhardt und Norbert Fischer, Band III Neuzeit, Stade 2008, S. 173 - 253 (hier auch: Ergänzende Literatur S. 279 - 292).

Beate-Christine Fiedler, Die Verwaltung der Herzogtümer Bremen und Verden in der Schwedenzeit 1652 - 1712. Organisation und Wesen der Verwaltung. Einzelschriften des Stader Geschichts- und Heimatvereins hrsg. v. Heinz-Joachim Schulze Bd. 29; Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Stade Bd. 7. Stade 1987 (zugleich Diss. phil., Universität Bonn, 1986.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet